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Young couple sitting on the sofa in the room, busy with their gadgets, communication problems of modern society.

Leben zwischen Likes

Ein typischer Tagesanfang

Der Wecker klingelt. Ich öffne meine Augen. Mein Blick geht zum Fenster: die Sonne scheint. Ich strecke meine Hand aus und taste nach dem Wecker, um ihn auszuschalten. Danach wandert meine Hand zu meinem Handy, das direkt neben mir auf dem Nachttisch liegt. 6:25 Uhr. Eigentlich muss ich jetzt aufstehen, aber fünf Minuten um kurz zu checken, ob es etwas Neues gibt, kann ich mir noch gönnen. Obwohl ich weiß, dass ich wohl seit meinem letzten Blick aufs Handy vor dem Schlafen nichts Großartiges verpasst haben kann, öffne ich Instagram. Ich scrolle durch meinen Feed, und wie erwartet: nichts Neues. Als nächstes öffne ich die Facebook-App. Ich überfliege Aktivitäten von Personen, die ich eigentlich gar nicht kenne, sehe Bilder von Katzen, frage mich, warum ich mir das eigentlich anschaue – ich mag doch gar keine Katzen. Mein Blick fällt auf die Uhr. Mist, 6:45 Uhr. Jetzt muss ich mich beeilen.

Nachdem ich kurz im Bad war und mir in der Küche einen Kaffee gemacht habe, sitze ich am Esstisch – in der einen Hand meinen Kaffee, in der anderen mein Handy, damit mir ja nicht langweilig wird. Es ist 7:15 Uhr. Ich bin zwar schon spät dran, aber ein paar Minuten nehme ich mir noch, bevor ich mich auf den Weg zu Arbeit mache. Also öffne ich die Spiele-App und vertiefe mich in ein, zugegebenermaßen schon fast peinlich unterbelichtetes Spiel, bei dem ich nicht mal eine einzige meiner grauen Zellen anstrengen muss. Aber gut. So wirklich darüber nachgedacht habe ich noch nie. Immerhin habe ich das nächste Level geschafft und sogar eine neue persönliche Bestzeit erreicht. Ich fühle mich fantastisch. Grinsend schaue ich auf die Uhr: 7:30 Uhr. Mein Grinsen vergeht mir. Ich müsste schon längst unterwegs sein.

Auswirkungen zunehmender Digitalisierung

So oder so ähnlich starten in Deutschland Tausende in ihren Tag. Das Smartphone ist unser ständiger Begleiter. Aber wie alles, hat auch die zunehmende Digitalisierung ihre Vor- als auch Nachteile. Nicht umsonst hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Diagnose „Gaming Disorder“ in die am 18. Juni 2018 veröffentlichte 11. Revision der International Classification of Diseases (ICD-11) aufgenommen. Laut einer Drogenaffinitätsstudie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) ist bei 2,8 Prozent aller 18 bis 25-jährigen von einer Computerspiel- oder Internetsucht auszugehen. Bei den 12 bis 17-jährigen liegt der Wert mit 5,8 Prozent noch deutlich höher. So geht aus einer Studie der DAK-Gesundheit in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Zentrum für Suchtfragen des Kinder- und Jugendalters hervor, dass 85 Prozent der Jugendlichen täglich Social Media nutzen und im Schnitt knapp drei Stunden pro Tag auf Plattformen wie WhatsApp, Instagram und SnapChat verbringen. Es kommt unter anderem auch öfter zu Streitigkeiten mit den Eltern bei Jugendlichen, bei denen die Kriterien einer Social Media Disorder erfüllt sind.

„Das Internet ist insbesondere für junge Menschen selbstverständlich, es gehört zu ihrem Alltag. Die meisten nutzen es täglich zum Chatten, zum Spielen oder zum Zeitvertreib. Neben all dem Spaß, den die digitalen Medien machen, gibt es aber auch gesundheitliche Risiken, die wir nicht ausblenden können. Studien belegen, dass eine übermäßige, unkontrollierte Nutzung von Smartphone, Computerspielen und Internet zu suchtähnlichen Entwicklungen führen kann. Daher müssen Kinder und Jugendliche wissen, wie sie mit den neuen Medien umgehen sollen. Erwachsene sind aufgefordert, hier ganz klare Vorgaben zu machen, Hilfestellungen zu geben und vorzuleben, wie man Internet und Co. sicher und sinnvoll nutzen kann. Ohne Regeln läuft es nicht!“ erklärt Marlene Mortler, die Drogenbeauftragte der Bundesregierung.

Sprüche wie „Leg doch mal dein Handy weg, du bist doch süchtig.“, „Du kannst doch gar nicht mehr ohne dein Handy!“ oder „Jetzt bist du schon wieder am Zocken.“ hört man oft, doch wann spricht man überhaupt von einer „Gaming Disorder“, einer „Social Media Disorder“, oder ganz einfach ausgedrückt von einer „Internetsucht“? Macht es einen Unterschied, ob ich drei Stunden am Tag damit beschäftigt bin online Spiele zu spielen oder ob ich die Zeit damit verbringe mit Freunden zu chatten?

Wie merkt man eigentlich, ob man internetsüchtig ist?

Wenn, laut WHO, fünf (oder mehr) der folgenden Symptome über einen Zeitraum von zwölf Monaten bestehen, liegt eine „Internet Gaming Disorder“ vor.

  • dauernde Beschäftigung mit Internet- beziehungsweise Online-Spielen
  • Entzugssymptome, wenn nicht gespielt werden kann, zum Beispiel Unruhe, Gereiztheit
  • Toleranzentwicklung: Bedürfnis, immer mehr zu spielen
  • Kontrollverlust: Versuche, weniger oder nicht online zu sein, missglücken
  • Verlust des Interesses an früheren Hobbys oder anderen Aktivitäten
  • Täuschung von Familienmitgliedern, Therapeuten oder anderen Personen über das wirkliche Ausmaß des Internetgebrauchs
  • Gebrauch der Online-Spiele, um negativen Emotionen zu entkommen
  • Gefährdung oder Verlust von Beziehungen, Arbeit oder Ausbildung
  • exzessives Online-Spielen trotz des Wissens um die psychosozialen Probleme

Wenn man dann die Einsicht erlangt hat, dass man eventuell gefährdet oder gar betroffen von der „Internet Gaming Disorder“ sein könnte, kann man natürlich selbst versuchen, seinen Internet- oder Social-Media-Gebrauch einzudämmen. So kann man zum Beispiel feste Zeiten am Tag einplanen, an denen man das Smartphone mal weglegt oder den Computer ausschaltet.
Man könnte auch das Smartphone über Nacht, statt neben dem Bett, in einem anderen Raum lassen, sodass man morgens noch vor dem Aufstehen nicht in Versuchung kommt, erst mal sein Smartphone zu checken. Abgesehen von der hohen Strahlenbelastung, die von einem Smartphone ausgeht und enorm schädlich für die Gesundheit ist, vor allem wenn die Quelle dieser die ganze Nacht quasi neben dem Kopf liegt, würde sich dies auch abends vor dem Schlafen gehen positiv auswirken. So könnte man sich, statt noch eine halbe Stunde „am Handy zu hängen“, ein Buch lesen. Das hätte übrigens sogar positive Auswirkungen auf die Schlafqualität!

Christian Cajochen, Leiter des Zentrums für Chronobiologie der schweizerischen Universität Basel, erklärt im Interview mit Spiegel online, blaues Licht (wie das von Handy, Laptops, etc.) signalisiere uns sofort „Wachbleiben!“. Es hätte also, laut Cajochen, einen Effekt auf unseren Körper, der vergleichbar mit dem von Koffein sei.
Also warum nicht einmal ausprobieren, und das Smartphone abends beiseitelegen?

Wer jedoch allein nicht mehr aus der Sucht herauskommt, hat zahlreiche Möglichkeiten, sich Hilfe zu holen. So gibt es zum Beispiel den „Online-Ambulanz-Service für Internetsüchtige“ (OASIS), der Betroffene deutschlandweit ein analoges Beratungs- und Behandlungsangebot vermittelt. Natürlich gibt es auch die Möglichkeit einer stationären Therapie, wie sie beispielsweise auch in den Heiligenfeld Kliniken angeboten wird.

 

Autorin: Emma Hirt

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