Ein Beispiel aus dem Leben
Studium, Klausurphase. Ich sitze in der Unibibliothek und lerne für die anstehenden Prüfungen. Plötzlich leuchtet mein Handy auf. Meine Mutter schreibt mir über WhatsApp: „Hi, na wie geht es dir so? Lange nichts mehr von dir gehört.“
Ich freue mich über die Nachricht, doch da ich gerade über einer komplizierten Aufgabe sitze, antworte ich etwas kurz angebunden: „ganz okay.“ Aus Zeitgründen verzichte ich darauf, mein Geschriebenes mit einem fröhlichen Emoji zu schmücken und drücke auf Senden. Kaum habe ich die dritte kurze Antwort in Folge ohne die allseits beliebten fröhlichen Gesichter versendet, bekomme ich Folgendes zu lesen: „Ist alles okay bei dir? Du wirkst so traurig..“
Kommunikation, der Schlüssel
Kommunikation ist der Schlüssel für ein erfolgreiches Miteinander innerhalb der Gesellschaft. Der Kommunikationswissenschaftler und Psychotherapeut Paul Watzlawick (1921 -2007) beschäftigte sich in seinen Forschungen mit der Familientherapie, der allgemeinen Psychotherapie und der Kommunikationstheorie. Das erste Axiom der Kommunikationstheorie von Paul Watzlawick besagt: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ So paradox dies auch scheint, ist es doch ganz einfach zu verstehen: Jede Kommunikation, sei es mit Worten, Mimik oder Gestik, ist gleichzeitig auch ein Verhalten. Und genauso wie man sich nicht nicht verhalten kann, kann man auch nicht nicht kommunizieren.
Auch ein Schweigen ist Kommunikation, ebenso wie ein besorgter Gesichtsausdruck. Für den direkten Kontakt, aber auch für die Kommunikation in der digitalen Welt gelten dieselben Regeln. Generell bestehen unzählige Wechselwirkungen zwischen virtuellen und realen Prozessen. Diese Wechselwirkungen sprechen eindeutig gegen eine Trennung von virtueller Kommunikation und realer Kommunikation.
Ein treffendes Beispiel hierfür sei die Kommunikation über das Smartphone. Heutzutage hat fast jede Beziehung zwischen zwei Menschen eine virtuelle und eine reale Dimension. Beide Dimensionen unterscheiden sich stark in ihrer Kommunikation und Ausdrucksweise, sind aber voneinander abhängig und ergänzen sich gegenseitig. Virtuelle und reale Kommunikation ist also komplementär zueinander. Beide Kommunikationswege sind voneinander abhängig.
Trotzdem wird dies oft noch nicht verstanden, denn einige Menschen trennen dies voneinander ab. Folglich werden die Kommunikationsregeln als nicht einheitlich angenommen. So sinkt bei vielen die Hemmschwelle, die eigene subjektive Meinung im virtuellen Raum kundzutun. Grund hierfür ist unter anderem die vermeintliche Anonymität, oder einfach ein fehlendes Verständnis für den Zusammenhang.
Wenn jemand beispielsweise via Facebook oder Twitter eine andere Person öffentlich beleidigt, entspricht dies exakt dem gleichen Verhalten von Angesicht zu Angesicht. Man kann nicht jemanden in einem sozialen Medium beleidigen und erwarten, dass dies im unmittelbaren Kontakt keinen Einfluss auf die Beziehungsebene haben wird.
Emoji als virtuelle Mimik und Gestik
Die Verwendung von Emojis, sei es über WhatsApp, Instagram oder Facebook, wird größtenteils schon bei einer virtuellen Kommunikation vorausgesetzt. Sie können mit der Mimik und Gestik in der unmittelbaren Kommunikation verglichen werden, bzw. sollen diese ersetzen. Mimik und Gestik sind in persönlichen Gesprächen essentiell, um dem Gegenüber und dessen Gesagtes einschätzen und bewerten zu können. Durch Empathie können wir die aktuelle Gefühlslage des Gesprächspartners erkennen und den Gesprächsinhalt emotional interpretieren. In einem persönlichen Gespräch ist es sogar möglich, zu erkennen, ob der Gesprächspartner gerade lügt oder die Wahrheit erzählt. All das ist in einer gewöhnlichen Textnachricht nicht möglich. Folglich haben sich im Laufe der Zeit die sogenannten Emojis entwickelt, um Textnachrichten eine Emotionsebene zu geben. Emojis können Freude, Trauer, Angst oder Langeweile ausdrücken. Zudem können sie die Bedeutung eines Textes verändern, durch z. B. der Hinzugabe von Lach-Emojis. Somit kann auch Humor via Text transportiert werden. Inzwischen werden Emojis jedoch relativ inflationär eingesetzt, sodass folglich oft der Eindruck entsteht, dass etwas nicht stimmt, sollte kein „Grinsebild“ in der Nachricht zu sehen sein.
So wie die menschliche Kommunikation sich im Laufe der Jahrtausende entwickelt hat, so ist auch die virtuelle Kommunikation einem langwierigen Entwicklungsprozess unterworfen. Ob die virtuelle Form der Kommunikation den persönlichen Dialog zwischen zwei Menschen wirklich ersetzen kann, ist ungewiss.